Die Costa Blanca zieht nicht nur Urlauber, sondern auch Immobilienbesitzer aus dem Ausland an. Doch was passiert im Erbfall? Die Rechtsanwältin Lotta Hilgers klärt im exklusiven CBM-Interview über Besonderheiten des spanischen Erbrechts auf – von Pflichtteilsansprüchen bis zur EU-Erbrechtsverordnung.
Wer eine Immobilie an der Costa Blanca besitzt oder plant, sich hier dauerhaft niederzulassen, sollte sich frühzeitig mit dem Thema Erbrecht auseinandersetzen. Das spanische Erbrecht unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem anderer europäischer Länder – insbesondere wenn es um Pflichtteilsansprüche und die gesetzliche Erbfolge geht. Die renommierte Rechtsanwältin Lotta Hilgers aus Valencia gibt im Interview wertvolle Einblicke in die Besonderheiten des spanischen Erbrechts, erklärt, welche Maßnahmen Eigentümer ergreifen sollten, um ihre Erben abzusichern, und worauf Residenten bei der Erstellung eines Testaments unbedingt achten sollten.
Im Gespräch geht es um alles, was Sie über das Erben in Spanien wissen müssen: Wie wirkt sich die EU-Erbrechtsverordnung auf ausländische Immobilienbesitzer aus? Welche Pflichten haben Erben? Und welche steuerlichen Aspekte sollten bedacht werden?
Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Sie im folgenden Interview.
Welche Besonderheiten gibt es im spanischen Erbrecht im Vergleich zu
anderen europäischen Ländern?
Ein wesentlicher Unterschied ist die Zuständigkeit für die Gesetzgebung. Das materielle Erbrecht (also z.B. die Frage, wer Erbe ist) richtet sich nach dem spanischen Zivilgesetzbuch (Código Civil). Spanien ist aber föderal strukturiert und in folgenden Bundesländern gibt es spezielle Regelungen in den lokalen Foralrechten: Aragonien, Balearen, Baskenland, Galizien, Katalonien und Navarra. Diese kommen dann neben dem spanischen Zivilgesetzbuch zur Anwendung.
In Spanien gibt es das sogenannte Noterbrecht. Hierdurch ist ein Pflichtteil für bestimmte Familienmitglieder reserviert. Das Notarerbrecht ist also kein Anspruch auf Auszahlung in Höhe des Pflichtteils wie bspw. in Deutschland. Vielmehr wird der Noterbe in Höhe seiner Quote Miteigentümer am Nachlassvermögen.
Ehegatten erhalten in Spanien nach der gesetzlichen Erbfolge deutlich weniger als in anderen Ländern. So steht ihnen neben Kindern lediglich ein Nießrauchrecht an einem Drittel des Nachlasses zu.
Wie wirkt sich die gesetzliche Erbfolge
in Spanien auf ausländische Eigentümer von Immobilien aus?
Das spanische Recht und damit die gesetzliche Erbfolge kommt nach der im Jahr 2015 in Kraft getretenen EU-Erbrechtsverordnung dann zur Anwendung, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Spanien hatte und zu Lebzeiten nichts anderes in einer letztwilligen Verfügung bestimmt hatte. Hierbei ist zu beachten, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort sich in erster Linie nach subjektiven Merkmalen richtet, also nach der Frage, wo der Erblasser sich zu Hause gefühlt hat. Die Beantwortung dieser Frage kann im Zweifel zwischen den Erben zu einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung führen. Der Erblasser kann aber zu Lebzeiten bestimmen, dass das Recht seiner Staatsangehörigkeit auf den Erbfall angewendet werden soll.
Was sollten Residenten in Spanien bei der Erstellung eines Testaments beachten, um spätere Probleme zu vermeiden?
Grundsätzlich empfehle ich nur ein Testament zu erstellen. Die Notargebühren für die Beurkundung eines Testaments sind in Spanien deutlich geringer als in anderen europäischen Ländern. Handelt es sich bei dem Testament aber nicht um ein einfaches Testament, sollte die Beurkundung von einem Notar in dem Land vorgenommen werden, dessen Recht zur Anwendung kommen soll, auch wenn der Testierende in einem anderen Land resident ist. Ein einfaches Testament wäre die Erbeinsetzung des Ehegatten und der Kinder zu gleichen Teilen. Viele Immobilieneigentümer beurkunden in Spanien ein zweites Testament. Hiervon ist meiner Ansicht nach in der Regel eher abzuraten und dies ist dann sehr gefährlich, wenn es inhaltlich mit dem anderen Testament nicht übereinstimmt.
Ein Beispiel: A beurkundet in Deutschland gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre beiden gemeinsamen Töchtern zu Schlusserben einsetzen. Um die Erbschaftsabwicklung aber in Spanien zu vereinfachen und um aus Kostengründen die Kinder direkt mit ins Boot zu nehmen, beurkundet er in Spanien ein weiteres Testament, wonach er bzgl.seines in Spanien belegenen Vermögens seine Ehefrau und seine beiden Töchter zu Erbinnen zu gleichen Teilen einsetzt. Genaugenommen wird damit aber das deutsche Testament aufgehoben. Es ist nicht möglich, in zwei Testamenten verschiedene Erben einzusetzen. Dies ist zwar nur dann problematisch, wenn eine der Parteien die Gültigkeit des ersten Testaments anzweifelt, kann dann aber dramatische Auswirkungen haben und im Zweifel hat immer das jüngere Testament Vorrang.
Auch würde ich von der Aufsetzung eines handschriftlichen Testaments abraten, wenn spanisches Recht zur Anwendung kommen soll, da die Eröffnung des Testaments nicht unkompliziert ist. Der Notar muss in einem Akt die Echtheit des Testaments feststellen und prüfen, dass der Inhalt mit dem Willen des Testierenden übereinstimmt. In der Regel ist in diesem Zusammenhang ein Schriftgutachten einzuholen und es müssen mindestens zwei Zeugen beim Notar erscheinen, die versichern, dass er bspw. keine weiteren Kinder hatte und der Inhalt mit dem Willen des Erblassers übereinstimmt. Weiterhin ist das Testament für einen Monat zu veröffentlichen und es darf kein Einspruch durch eine berechtigte Person erhoben werden. Die Eröffnung handschriftlicher Testamente ist also ein kostenintensives und langwieriges Verfahren.
Gibt es in Spanien Pflichtteilsansprüche, und wie unterscheiden sich diese von den deutschen Regelungen?
Ja, in der Form der sogenannten Noterbrechte. Der größte Unterschied liegt darin, dass der Noterbe Miteigentümer am Nachlassvermögen in Höhe seine Quote wird, wenn nichts anderes bestimmt wurde.
Hat der Testierende Kinder, kann er nach spanischem Recht lediglich über 1/3 seines Nachlassvermögens frei verfügen; die übrigen 2/3 stehen seinen Kindern zu. Der Pflichtteilsanspruch zugunsten der Kinder ist in Spanien also in der Regel höher als in Deutschland.
Welche Fristen und Formalitäten müssen Erben in Spanien einhalten?
In Spanien gibt es weder für die Annahme der Erbschaft noch für die Ausschlagung eine Frist. Leidglich für die Deklarierung der Erbschafsteuer gibt es eine Frist von 6 Monaten.
Die Erbschaft ist vor einem Notar anzunehmen. Hierfür werden insbesondere folgende Unterlagen benötigt: internationale Sterbeurkunde, Erbtitel (Erbschein, Europäisches Nachlasszeugnis, Testament nebst Eröffnungsbeschluss, etc.), Auszug aus dem spanischen zentralen Testaments- und Lebensversicherungsregister, Unterlagen zu dem in Spanien belegenen Nachlassvermögen.
Wie funktioniert die Anerkennung eines deutschen Testaments in Spanien?
Spanien erkennt ausländische Testamente an, wenn sie in dem Land anerkannt werden, dessen Recht zur Anwendung kommt. Ob das Testament ohne Weiteres anerkannt wird oder weitere Unterlagen benötigt werden, entscheidet der die spanische Erbschaftsurkunde verfassende Notar. Die meisten Notare haben mit deutschen Testamenten bereits Erfahrungen gemacht und erkennen einfache Testamente an. Wurde aber bspw. Nachlasspflegschaft angeordnet oder handelt es sich um eine komplizierte Vorerbschaft mit Verfügungsbeschränkungen, ist es gut möglich, dass der Notar die Vorlage einer Rechtsbescheinigung verlangt. In diesem Fall würde ein deutscher Notar dem spanischen Notar in einer Urkunde erklären, welche rechtlichen Auswirkungen die von dem Erben getroffenen Verfügungen haben.
Gibt es Unterschiede in den Erbschaftssteuersätzen je nach Region in Spanien, und wie können Erben
diese optimieren?
Ja, es gibt teilweise erhebliche Unterschiede. Seit einer Gesetzesreform im letzten Jahr hat die Comunidad Valenciana in Spanien mit die geringste Erbschaftsteuer, so dass eine umfassende Optimierung bei Privatpersonen in der Regel hier gar nicht notwendig ist.
In der Regel ist das Steuerrecht des Bundeslandes anwendbar, in dem der Erbe seinen Steuersitz hat. Lebt der Erbe im europäischen Ausland, kommt das Recht des Bundeslandes zur Anwendung, in dem sich ein Großteil des Nachlassvermögens befindet. Liegt der Steuersitz des Erben aber nicht in der EU, kommt das überregionale Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht zur Anwendung. In diesem Fall steht ihm lediglich ein Freibetrag von nicht einmal 17.000 € zu. Weitere Steuerreduzierungen existieren nicht.
Bei Privatpersonen kann die Erbschaftssteuer durch die Einbeziehung mehrerer naher Angehöriger reduziert werden. Wenn alle drei Kinder eine Immobilie Erben, steht ihnen in der Comunidad Valencia und in vielen anderen Bundesländern ein Freibetrag von insgesamt 300.000 € zu. Erbt die Immobilie aber nur ein Kind, beträgt der Freibetrag 100.000 €.
Bei hochwertigen Immobilien kann auch der Kauf der Immobilie direkt über eine ausländische Gesellschaft sinnvoll sein. Hierbei sind dann aber Steueraspekte des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, zu berücksichtigen.
Erben bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften – hat der Partner die gleichen Rechte wie einer Ehe?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass in Spanien die eingetragene Lebensgemeinschaft eine Art Mini-Ehe für alle Paare ist. Hetero- und Homosexuelle Paare können also in Spanien die Ehe schließen oder eine eingetragene Lebensgemeinschaft eingehen.
Der Abschnitt zum Erbrecht wurde im Zivilgesetzbuch nach Einführung der Lebensgemeinschaft nicht aktualisiert, so dass diese dort keine Berücksichtigung findet. Verstirbt ein Lebenspartner, ohne ein Testament hinterlassen zu haben, erhält der überlebende Lebenspartner nichts, es sei denn das lokale Foralrecht bestimmt etwas anderes.
Ob einem Lebenspartner steuerliche Vergünstigungen im Erbfall zustehen, hängt von dem jeweiligen Bundesland ab. In der Comunidad Valenciana gibt es keinerlei Vergünstigungen.
Welche steuerlichen Aspekte sollten Erben bei einer Erbschaft in Spanien berücksichtigen?
Die Steuerhoheit für die Erbschafts- und Schenkungssteuer liegt in Spanien bei den Bundesländern, wobei es ein überregionales Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz gibt, wenn kein lokales Gesetz zur Anwendung kommt.
Wichtig ist, dass es in ganz Spanien eine Frist für die Deklarierung der Erbschaftsteuer von 6 Monaten ab Eintritt des Todes gibt. Diese Frist kann auf insgesamt 12 Monate verlängert werden, wenn ein entsprechender Antrag innerhalb von 5 Monaten gestellt wird.
In der Comunidad Valenciana wurde letztes Jahr die Erbschaftssteuer für nahe Angehörige (Kinder und Ehegatten) für alle Todesfälle, die nach dem 28. Mai 2023 eingetreten sind, weitestgehend abgeschafft. Neben dem Freibetrag in Höhe von 100.000 € pro Erben gibt es eine Steuerreduzierung von 99%, so dass der Erbe letztlich lediglich 1% der Steuerquote zu zahlen hat.
Wie wird eine Erbschaft in Spanien abgewickelt, wenn der Verstorbene seinen regulären Wohnsitz im Ausland hat?
Die Abwicklung ist mit der für im Inland lebende Personen identisch. Die Erbschaft ist vor einem spanischen Notar anzunehmen und der Notar weist den Erben in der Urkunde das Nachlassvermögen entsprechend der Erbquoten oder einer anderweitigen Vereinbarung zwischen den Parteien zu. Anschließend müssen die Erben die Erbschaftsteuer in Spanien deklarieren. Erst dann kann bspw. beantragt werden, dass die Erben als Eigentümer der Immobilie im Grundbuch eingetragen werden.
Ist es sinnvoll, ein Testament sowohl in Spanien als auch im Heimatland zu hinterlegen?
Siehe oben. Nein mit der einzigen Ausnahme: die beiden Testamente sind inhaltlich identisch.
Mit diesen Schritten können Käufer und Verkäufer den Immobilienmarkt an der Costa Blanca sicher und gut informiert durchlaufen, wobei sie gewährleisten, dass ihre Transaktionen rechtlich einwandfrei und frei von Risiken sind